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von IBS Redakteur

IBS-Absolventin meets Singapore

Damals hatte ich die Möglichkeit bekommen, im Rahmen meiner Rolle als Treasurerin in der NORD/LB und als Absolventin der IBS Oldenburg in Kooperation mit der Bremer Landesbank, das Treasury unserer Singapore Branch genauer kennenzulernen. Dass ich am 29. April 2019 wieder im gleichen Flieger sitzen würde, nochmals auf dem Weg aus dem kalten Deutschland in die ganzjährig sommerliche Finanzmetropole am Äquator, jedoch diesmal mit einem Arbeitsvisum für zwei Jahre in der Tasche, konnte ich mir damals nicht erträumen. Da im Dualen Studium zusätzlich zu Business Englisch auch Business Knigges verschiedener Kulturen Teil des Curriculums waren, fühlte ich mich für einen Job im Ausland gut vorbereitet. Die neben den Fachkompetenzen erworbenen Methoden- und Sozialkompetenzen durch mehrere Praxisprojekte und Gruppenarbeiten sollten sich ebenfalls als nützlich erweisen …

Nach ungefähr 22 Monaten Expat-Leben in Singapur fühle ich mich hier mittlerweile sehr heimisch. Singapur macht es einem als Expat zugegebenermaßen allerdings auch sehr einfach, sich schnell einzugewöhnen und wohlzufühlen. Alle Prozesse, die einem sonst eher lästig vorkommen, werden einem hier nach meinem Gefühl einfach gemacht. Zum Beispiel hatte ich nur nach zwei Tagen in Singapur und circa 17 Wohnungsbesichtigungen später, die für mich perfekte Wohnung gefunden. Allerdings ist Platz in dem Stadtstaat, dessen Größe circa der Fläche Hamburgs entspricht, teuer und Wohnungen daher eher klein. Da ich jedoch eh nicht plante, viel Zeit in meiner Wohnung zu verbringen, nahm ich die 35qm in Kauf und unterschrieb den Mietvertrag freudig. (Wer hätte ahnen können, dass wir uns circa 10 Monate später in einer Pandemie wiederfinden und ich dann doch mehr Zeit in meiner Wohnung verbringen würde als ursprünglich gedacht.) Auch bürokratische Prozesse, wie zum Beispiel Behördengänge, überraschen mit Effizienz und schneller Abwicklung. In meinem Fall hat die Anmeldung und das Ausstellen des Employment Passes inklusive Wartezeit nicht mal sieben Minuten gedauert.

Bevor man das Employment Pass Services Centre wieder verlässt, bekommt man noch einen Guide mit dem Titel „Settling in – Your Guide to Life in Singapore“ in die Hand gedrückt. In diesem heißt es auf einer der ersten Seiten „For over 700 years, Singapore has been a thriving port of the region, welcoming immigrants to work and live. […] Experience Singapore by meeting people from its many communities and going around town to enjoy the sights and food”. Ich habe diese beiden Sätze rausgesucht, weil sie sehr gut meinen ersten Eindruck von Singapur widerspiegeln, ein Land mit einer sehr welt-offenen und herzlichen Bevölkerung und dem meiner Meinung nach besten Essen der Welt.

Mit vier offiziellen Amtssprachen (Englisch, Malaysisch, Mandarin und Tamil) und über 2 Mio. auslaendischen Einwohnern (von ca. 5,7 Mio Gesamteinwohnerzahl)[i] sind Vielfalt sowie Offenheit und Toleranz gegenüber fremden Kulturen fester Bestandteil des Alltages in Singapur. Die Neugierde und das selbstverständliche Interesse neue Kulturen kennenzulernen beeindrucken mich hier vor Ort immer wieder. Wenn man den Feiertagskalender Singapurs studiert (um zum Beispiel den nächsten Wochenendtrip nach Bali, Bangkok, Hong Kong oder Kuala Lumpur zu planen), erkennt man sofort den Einfluss der unterschiedlichen Religionen/Kulturen. Mit Chinese New Year, Vesak Day, Good Friday, Hari Raya Puasa/Haji, Deepavali oder Christmas Day haben sich neben christlichen Feiertagen auch muslimische, buddhistische/hinduistische und chinesische Tage etabliert. Zu den jeweiligen Festen werden ganze Stadtteile ausgiebig geschmückt und Leute auf den Straßen, unabhängig ihrer Herkunft oder Religion, wünschen sich „Happy Deepavali“ oder „Merry Christmas“.

Diese Vielfalt und Neugierde spiegeln sich auch in der kulinarischen Welt Singapurs wieder. In den über 100 Hawker Centern, welche kürzlich auch zum Weltkulturerbe erklärt wurden, lassen lokale Gerichte wie Laksa, Chicken Rice, Yong Tau Foo, Chilli Crab, Prawn Noodles oder Char Kway Teow das Foodie-Herz höherschlagen. Wem nicht nach asiatischem Essen ist, findet allerdings auch sehr gute europäische Lokale (Ich habe selten so gut italienisch gegessen!). Während man in den Hawkern für S$5 (ca. 3,10 EUR) schon ein volles Abendessen bekommt, sollte man in den Restaurants eher den 6-8-fachen Preis einplanen. Eine Pizza Margherita kann gut mal S$30 (ca. 18,60 EUR) kosten.

Als ich vor meinem Umzug nach Singapur von einem Bekannten gefragt wurde, wie ich mich denn hier verständigen würde und ob ich jetzt Mandarin lernen würde, fand ich das noch ziemlich lustig. Obwohl Englisch hier eine der offizielen Landessprachen ist, kann man mit dem in der Schule erlernten Oxford Englisch dann aber doch mal auf Verständigungsprobleme stoßen. Mit Singlish (SINGaporean engLISH) hat sich hier eine eigene Umgangssprache entwickelt, die bezüglich Grammatik und Vokabular von allen hier gesprochenen Sprachen beeinflusst wurde. Während Ausdrücke wie „So how?“ (für „und wie gehen wir jetzt vor / was machen wir jetzt?“), „Can or cannot?“ oder „This one have, that one no have” noch relativ leicht verständlich sind, muss man als Expat bei Begriffen wie “Siao” (für verrückt), “Shiok“ (für cool oder lecker) oder „Da Bao“ (für Essen zum Mitnehmen) dann doch nochmal nachfragen.

Zum Glück teile ich das Büro mit sehr hilfsbereiten Kollegen, die mir gern den einen oder anderen singlischen Begriff beibringen. Der Arbeitsalltag generell ist aus meiner Sicht sehr gut vergleichbar mit dem in Deutschland, das mag allerdings daran liegen, dass wir uns in einer Branch eines deutschen Unternehmens befinden. Allerdings musste ich mich zu Beginn erstmal an die neuen Arbeitszeiten gewöhnen. Arbeitstage von 8.30 Uhr bis 18.30 Uhr sind hier normal und Feierabend um 17.30 Uhr gilt als früher Feierabend. Arbeitszeitmodelle wie halbtags, Gleitzeit oder Home-Office existierten nicht wirklich. Letzteres sollte sich allerdings mit dem Ausbruch von Covid19 schlagartig aendern.

Wenn ich heute auf das Jahr 2020 zurückblicke, bin ich sehr froh, dass ich Anfang des Jahres noch die Möglichkeit hatte, Melbourne und Tasmanien zu besuchen. Als wir am 2. Feburar 2020 zum Check-In am Melbourner Flughafen anstanden und der vor uns stehenden 5-köpfigen Familie mit chinesischem Ausweis der Flug nach Singapur verweigert wurde, wurde uns langsam bewusst, dass die Situation ernster sein muss. Zuvor hatten meine Kollegen mich schon gebeten, ein Familienpack Desinfektionsmittel aus Australien mitzubringen, da dieses zu dem Zeitpunkt in ganz Singapur ausverkauft war. Zurück in Singapur war die Hälfte der Mitarbeiter unserer Branch schon im Home-Office, eine Split-Organisation mit Team A und B war eingeführt und jeder Zweite, der einem begegnete, trug einen Mund-Nasen-Schutz (zu diesem Zeitpunkt noch freiwillig).

Als die Fallzahlen im März immer weiter zunahmen und sich die Situation in den Krankenhäusern zuspitzte, hat Premier Minister Lee Hsien Loong den Lock Down Singapurs (welcher hier Circuit Breaker genannt wurde) ausgerufen. Für 11 Wochen stand die Zeit daraufhin still. Nicht-essentielle Geschäfte, Restaurants und Bars waren geschlossen und es bestand ein Kontaktverbot über den eigenen Haushalt hinaus. Als Expat in einem 1-Personen-Haushalt konnte es da zwischenzeitlich schon mal sehr einsam werden. Durch den harten Lock Down und das In-Kauf-Nehmen eines drauffolgenden starken Einbruchs der lokalen Wirtschaft, hat es Singapur geschafft, dass das Leben hier mittlerweile wieder halbwegs normal vonstatten gehen kann.

Ein gutes halbes Jahr nach Ende des Lock Downs fühlt es sich fast schon normal an, dass man, bevor man ein Restaurant betritt, das Handy zückt, sich via QR-Code einscannt, seine Stirn vor dem Temperaturmessgerät platziert, einen Schuss Desinfektionsmittel angeboten bekommt und sich dann an einen der weit auseinander gestellten Tische einweisen lässt. Auch an das „last order at 10pm and clearing of alcoholic beverages at 10.30pm“ hat man sich mittlerweile gewöhnt. Bei einem Preis von fast acht Euro für ein Glas Wein sollte man sich dann gut überlegen, ob man das bis 22.30 Uhr austrinken wird oder ob man es in Kauf nimmt, dass einem dieses Glas, noch halb voll, dann aus der Hand gerissen wird. Auch die Maskenpflicht sobald man seine Wohnung verlässt, kann bei Temperaturen von bis zu 35 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 95 Prozent manchmal ganz schön lästig sein.

Auch wenn ich mir, wie wahrscheinlich alle, das Jahr 2020 ein bisschen anders vorgestellt hatte, bin ich dennoch sehr froh, dieses Jahr an diesem bewegten und aufregenden Ort verbracht zu haben.

Jana Busch, März 2021

[i] CNA, September 2019: https://www.channelnewsasia.com/news/singapore/population-number-singapore-foreign-workers-new-citizens-11941034              (23 Dec 2020)